„Über Gräben, Gräserstoppel, und entlang den Rotdornhecken, weht der Trab der scheuen Koppel, Füchse, Braune, Schimmel, Schecken!“ (aus ‚Junge Pferde‘ von Paul Boldt)

Sehr geehrte Leserschaft,

„Wo sind denn die richtigen Pferde?!“ ruft der Thronfolger. Er steht mit Schmollmund vor dem Gatter mit den beiden entzückenden Eseln und dem Zwergpony.

Ich sage: „Ich dachte, wir fangen fürs Erste mit denen hier an, schau mal wie süß die sind…“

„Nein! Ich will auf einem richtigen Pferd reiten!“

Puh.

Wir sind beim Kinderreiten auf dem Reiterhof. Der Thronfolger ist im Sommer erst drei geworden und hat noch nie auf einem Pferderücken gesessen.

Unsere freundliche Nachbarin kennt sich auf dem Reiterhof bestens aus und bietet an, mit dem Thronfolger ein freundliches Pferdchen auszusuchen. Die beiden verschwinden im Getümmel und ich verhelfe mir erst mal zu Kaffee und Kuchen. Als die freundliche Nachbarin mit meinem Nachwuchs zurückkehrt seufzt sie: „Also, er hat sich eins ausgesucht. Ich wollte ihm noch andere zeigen aber er war nicht mehr davon abzubringen. Eigentlich müsste das auch alles gutgehen. Aber ‚Leo‘ ist das größte Pferd, das wir haben…“

„Na toll!“, denke ich.

„Oh.“, sage ich.

„Oh.“, sagt der Göttergatte.

„Jaaaa! Das größte Pferd von ALLEN!“, freut sich der Thronfolger.

Gleich geht es los mit dem Herbst-Ausritt, der Thronfolger hat einen funkelnden blauen Reiterhelm bekommen und lässt sich todesmutig auf Leo hieven. Der Göttergatte steht links vom Pferd und ich stehe rechts. Wir können uns nicht sehen, das Pferd ist zu groß.

„Alles klar?“, rufe ich.

„Alles klar!“, rufen meine Männer.

Puh.

„Mama, wenn das Pferd rennt, musst Du einfach nebenher rennen, ne?“, erklärt mir der Thronfolger.

Hmpf.

Unser Trupp setzt sich in Bewegung und ich muss mich mit meinen kurzen Beinchen tatsächlich sehr beeilen, um Schritt zu halten. Der Thronfolger sitzt mit leuchtenden Augen und verschmitztem Lächeln hoch oben auf seinem Leo. Ich finde, die beiden geben ein erhabenes Bild ab und ich kann gar nicht glauben, wie mutig mein Sohn ist. Der Göttergatte und ich begegnen uns bei einem Engpass hinter dem Pferd und blicken uns an, wie nur stolze Eltern sich anblicken können. Dann fällt uns ein, dass ‚hinter einem Pferd‘ kein sicherer Ort ist und unsere Wege trennen sich wieder.

Ich lausche dem Trapptrapp der Pferdehufe und genieße die bunten Blätter in der Herbstsonne. Ich denke darüber nach, wie schön dieses Hufgetrappel klingt.

Ich komme zu dem Schluss, dass Reiten, Billard* und Pingpong, die akustisch schönsten Sportarten sind.

Auf dem Weg zurück zum Auto schläft der Thronfolger auf den Schultern des Göttergatten ein. Es sieht herzerweichend aus, wie er sich noch im Schlaf mit seinen kleinen Händen im Haarschopf meines Mannes festhält. Kein Wunder, dass der so mutig war, denke ich. Leo und mein Mann haben fast die gleiche Schulterhöhe, im Prinzip reitet mein Sohn, seit er sitzen kann.

Ein schöner Tag geht zu Ende und ich frage mich, ob ich nicht auf meine alten Tage noch reiten lernen sollte. Ich hätte jetzt nicht übel Lust, wie Lucky Luke, dem Sonnenuntergang entgegen zu reiten…

 

Mit freundlichen Grüßen

Fräulein Bork

 

*Ja, die geneigte Leserschaft kann es ruhig glauben: Billard – dieses Spiel mit den Kugeln auf dem grünen Filztuch-Tisch mit den Löchern – wird wirklich so geschrieben! Ich habe es im Duden nachgeschlagen! Es gehört zu den „rechtschreiblich schwierigen Wörtern“. Es gibt eine offizielle „Liste der rechtschreiblich schwierigen Wörter“! Die geneigte Leserschaft kann hier einmal hinklicken und sich ordentlich wundern!

http://www.duden.de/schwierige-woerter#O

Vor allem habe ich mich gewundert, dass auch Unmengen von Wörtern darauf stehen, die ich als unendlich einfach empfinde. Zum Beispiel ‚Autor‘, ‚Kuss‘ oder ’spülen‘ → ?!

Hier ein Beispieltext , den ich erarbeitet habe, um ihn bei Gelegenheit meiner Familie zu diktieren:

Heute Morgen krakeelte ich vor Wut: „Ich werde dich am Schlafittchen packen!“, aber eigentlich ging es nur um eine Lappalie. Voraussichtlich werde ich erst mal eruieren, inwieweit ich das in puncto ‚persönliche Ressourcen‘ wirklich als katastrophal erachte.

In jedem Fall werde ich Rückgrat zeigen.

Vor Kurzem wurde ich sogar kopfüber Mitglied des Chrysanthemen-Komitees. Ich habe prophylaktisch mein Portemonnaie versteckt…

4 Gedanken zu “„Über Gräben, Gräserstoppel, und entlang den Rotdornhecken, weht der Trab der scheuen Koppel, Füchse, Braune, Schimmel, Schecken!“ (aus ‚Junge Pferde‘ von Paul Boldt)

  1. drnessy schreibt:

    Das ist sehr witzig geschrieben. Ich finde es klasse, wenn Kinder etwas wirklich gerne wollen… Ich unterichte Erwachsene, auch solche, die mit der Reiterei erst anfangen. Es macht allen unheimlich Spaß, zumal es auch den ganzen Bewegungsapparat jung erhält und gut tut. Alles Liebe, Nessy von den happinessygirls.com

  2. silli62 schreibt:

    Huhu :) Mir gefällt dein Text ziemlich gut :) muss ich schon sagen :). Und wenn dir das Reiten zusagt, warum nicht anfangen? Man ist nie zu alt dafür :) und es ist ein wundertolles Hobby :) allerdings sehr Zeitaufwändig und Kostspielig.

    P.S. kleiner Tipp, eine Kurze Überschrift bringt manchmal mehr als eine lange ;-)

    Beste grüße Ich von pferdigunterweg.com

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